Sind zunehmende psychische Erkrankungen aufgrund steigender arbeitsbedingter Anforderungen oder durch gesellschaftliche Einflüsse zu erklären?

“Gesellschaftspolitische Veränderungen führen
häufiger zu psychisch bedingten Erkrankungen.“
Karin Reichwein

 

Welches sind die Gründe für eine Zunahme psychisch bedingter Arbeitsausfälle? Personalchefs nennen den starken Umbruch bzw. die erhöhten Anforderungen in der Arbeitswelt. Dem widerspricht der Arbeitgeberverband und verweist auf gesellschaftliche Phänomene wie Konflikte in der Familie, Sucht oder den Einfluss der sozialen Netzwerke. Die Arbeit sei ein zentraler Faktor, die Gesundheit von gefährdeten Personen zu stärken (vgl. u.a. Martin Kaiser, Leiter Sozialpolitik).

Die zentrale Forschungsfrage ist, welche Kriterien Menschen vor psychischen Erkrankungen schützen und sie somit nicht an übermässigem Stress, Burnout oder Depression psychisch erkranken. Gemäss Erhebung leidet jeder fünfte Arbeitnehmer unter einer psychischen Erkrankung (vgl. Yvonne Bugmann, 2014). Arbeits- und Präventivmediziner Dr. med. Urs Hinnen (2014) erwähnt folgende Gründe, die zu psychischen Belastungen führen können: mangelnde Wertschätzung, unklare Anweisungen, sowie kein Feedback zur Arbeit, zu viel Arbeit, die zu erledigen sei, sowie fehlende Unterstützung, Konflikte am Arbeitsplatz, barscher Umgangston sowie ein schlechtes Arbeitsklima. Mögliche Folgen sind wie oben zum Teil bereits erwähnt, Burnout, Depression, Schlafstörungen sowie Suchtprobleme, aber auch Ängste vor gewissen Situationen, die auftreten können.

Menschen, die solche Erlebnisse bewältigt haben, berichten oft, dass sie mit geeigneten Massnahmen wie private Beratung bzw. Gespräche sowie professionelle Beratung aufgrund von Angst vor Zurückweisung beruflich und privat zu lange gewartet hätten. Immerhin sei es noch ein Tabuthema und alle hätten Stress bei der Arbeit, das sei ganz normal. Die vermehrten psychischen Probleme, wie Angst, Schlafstörungen oder Depressionen und Antriebslosigkeit hätten sie gezwungen, den Arzt aufzusuchen. Auch die zunehmenden sozialen Probleme – vermehrte Konflikte, persönlicher Rückzug – die Isolation seien immer grösser und bedeutsamer geworden. Der gesamte Druck sei nicht mehr auszuhalten gewesen. Im Nachhinein würden sie schneller reagieren, hätten jedoch zum damaligen Zeitpunkt die Tragweite und das Ausmass der persönlichen Situation falsch oder zum damaligen Zeitpunkt nicht richtig einschätzen können. Jetzt hätten sie ein Bewusstsein entwickelt, bedeutende Kriterien am Arbeitsplatz als Grundlage für ein gesundes Arbeitklima, persönlicher Leistungsbereitschaft sowie Motivation zu thematisieren und reflektieren und ihre Belastbarkeit sowie Kommunikationsstrategien, Problemlösungsstrategien bzw. Konfliktlösungsstrategien zu überprüfen und Neues dazuzulernen. Aus der Praxis ist zudem bekannt, dass Personen, die in einer sozial guten Beziehung eingebunden sind (hohes Vertrauen, Empathie, Verlässlichkeit, Sicherheit, offene transparente Kommunikation auch in Krisensituationen, gegenseitige Loyalität) bessere Voraussetzungen mitbringen, damit sie eine Überlastung oder Krise im beruflichen Umfeld früher erkennen und geeignete Massnahmen treffen können als Personen, die in sozial unsicheren Beziehungen leben (unsichere, wechselnde Partnerschaften, geringes Vertrauen, niedrige Loyalität, hohe Verletzbarkeit durch den Partner in der Vergangenheit, hohe Unsicherheit). Bei der letzten Kohorte zeigt es sich, dass zur beruflichen Problematik zusätzlich die schwierige private Konstellation dazukommt und eine Bewältigung der Situation oft mit einer grösseren Krise einhergeht, da Veränderungen auf mehreren Ebenen stattfinden und ein neues Bewusstsein daraus hervorgeht. Sämtliche Personen berichten über einen persönlichen Mehrwert nach der Bewältigung der Krise und können ihr Leben bewusster und fröhlicher geniessen.

 

© Copyright 2018, Dr. Karin Reichwein – Alle Rechte vorbehalten.

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.

</br>Wir verwenden Cookies, um Ihnen das beste Nutzererlebnis bieten zu können. Mehr erfahren

The cookie settings on this website are set to "allow cookies" to give you the best browsing experience possible. If you continue to use this website without changing your cookie settings or you click "Accept" below then you are consenting to this.

Close